Das Wachstumschancengesetz: Steuererleichterungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft – die wichtigsten Änderungen im Überblick

17.04.2024

Nach hitzigen Debatten, mehreren Anpassungen – sogar unter der Einberufung des Vermittlungsausschusses – stimmten sowohl Bundestag als nun auch der Bundesrat dem kompromissbehafteten Wachstumschancengesetz zu. Das Gesetz tritt nach seiner Ausfertigung und Verkündigung ab 28.03.2024 in Kraft, wirkt aber teilweise rückwirkend schon früher. Von den ursprünglich geplanten 7 Milliarden Euro an jährlichen Entlastungsmaßnahmen für die deutsche Wirtschaft, verbleibt ein Entlastungsvolumen in Höhe von 3,2 Milliarden Euro pro Jahr. Ziel bleibt, Unternehmen in Deutschland zu fördern, indem ihnen steuerliche und damit auch finanzielle Erleichterungen in einer wirtschaftlich angespannten Zeit gewährt werden. Auch Privatpersonen wird so mancher Vorteil eingeräumt. Laut der Präambel liegen die Ziele zudem darin, das Steuersystem zu vereinfachen, Bürokratie abzubauen sowie für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen und damit das Vertrauen in den Staat zu stärken. Interessante Neuerungen werden in den folgenden drei Rubriken „Unternehmen“, „Privatpersonen“ und „Vermieter“ kurz vorgestellt.

Was gilt nun für Unternehmen?

Es ergeben sich Änderungen bei der Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer sowie bei einigen weiteren steuerlichen Themen.

Einkommensteuerliche Änderungen

Erhöhung der Freigrenze für Geschenke

Der Betrag für Geschenke an Personen, die keine Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, wurde auf jährlich insgesamt 50 Euro (zuvor: 35 Euro) angehoben und gilt für Wirtschaftsjahre, die ab dem 1. Januar 2024 beginnen. Die geplante Erhöhung des Freibetrags für Betriebsveranstaltungen entfällt im verabschiedeten Gesetz.

Wiedereinführung der degressiven Abschreibungsmethode

Die degressive Absetzung für Abschreibung lässt sich (wahlweise) für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wieder anwenden. Der Abschreibungssatz darf dabei höchstens das Zweifache der linearen Abschreibung und nicht mehr als 20 Prozent betragen. Das gilt für alle nach dem 31. März 2024 und vor dem 1. Januar 2025 angeschafften oder hergestellten begünstigten Wirtschaftsgüter.

Erhöhte Sonderabschreibung

Wenden Betriebe, deren Gewinn nicht über 200.000 Euro liegt, die Sonderabschreibung an, können sie bis zu 40 Prozent (bisher: 20 Prozent) der Anschaffungs-/Herstellungskosten für abnutzbares bewegliches Anlagevermögen abschreiben. Das gilt für Anschaffungen ab dem 1. Januar 2024.

Umsatzsteuerliche Neuerungen

Pflicht zur E-Rechnung

Bereits ab 2025 werden E-Rechnungen (spezielles, auswertbares elektronisches Rechnungsformat) im unternehmerischen Bereich (B2B) verpflichtend. Allerdings gibt es Übergangsregelungen, sodass Unternehmen beispielsweise für zwischen dem 1. Januar 2025 und 31. Dezember 2026 ausgeführte Umsätze mit Zustimmung des Empfängers eine Rechnung auf Papier oder in einem anderen elektronischen Format ausstellen können. Weiteres finden Sie unter http://www.ecovis.com/e-rechnung/

Großzügigere Grenzen für Umsatzsteuervoranmeldungspflicht und bei Option zur Ist-Besteuerung

Die Grenze der jährlichen Umsatzsteuerzahllast für die Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen wird von bisher 1.000 Euro auf 2.000 Euro ab Besteuerungszeitraum 2025 erhöht. Bis zu diesem Betrag müssen keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben werden.

Ebenso angehoben wird der Höchstbetrag für die Optierung zur Berechnung der Steuer nach vereinnahmten (sog. Ist-Besteuerung) statt vereinbarten Entgelten (sog. Soll-Besteuerung) von derzeit 600.000 Euro auf 800.000 Euro.

Wegfall der Jahreserklärung bei Kleinunternehmern

Kleinunternehmer werden grundsätzlich ab 2024 nicht mehr verpflichtet sein, eine Jahreserklärung abzugeben. Die Pflicht besteht jedoch unter anderem dann weiterhin, wenn die Umsatzsteuer für bezogene Eingangsumsätze im Rahmen der „Umkehr der Steuerschuldnerschaft“ geschuldet wird.

Nicht umgesetzte Maßnahmen

Gestrichen hat der Vermittlungsausschuss allerdings die ursprünglich geplanten Änderungen zum Durchschnittssteuersatz und zur Vorsteuerpauschale für Land- und Forstwirte.

Sonstige Themen

Höhere Grenzen für Buchführungspflicht 

Bisher galt die steuerliche Buchführungspflicht ab einem Gesamtumsatz von 600.000 Euro oder einem Gewinn von 60.000 Euro pro Jahr. Bei Überschreiten einer der Grenzen muss eine Bilanz erstellt werden, die vereinfachte Gewinnermittlung im Rahmen einer Einnahmen-Überschussrechnung ist dann nicht mehr möglich.

Bereits rückwirkend für Wirtschaftsjahre mit Beginn nach dem 31.12.2023 wurden nun die Grenzen angehoben auf einen Gesamtumsatz von 800.000 Euro pro Jahr oder einen Gewinn von 80.000 Euro. 

Änderung bei Aufbewahrungspflichten

Für Überschusseinkünfte (z. B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) ändert sich die Betragsgrenze hinsichtlich der Aufbewahrungspflicht: So sind ab dem Jahr 2027 Aufzeichnungen und Unterlagen erst ab einem Überschuss in Höhe von 750.000 Euro (bisher: 500.000 Euro) sechs Jahre lang aufzubewahren.

Neuerungen bei der Forschungszulage

Das Forschungszulagengesetz wird zugunsten der Unternehmer angepasst: Eigenleistungen eines Einzelunternehmers lassen sich mit bis zu 40 Arbeitsstunden pro Woche in Höhe von 70 Euro pro Arbeitsstunde fördern (bisher: 40 Euro). Bei Auftragsforschung beläuft sich der Fördersatz auf nunmehr 70 Prozent der förderfähigen Aufwendungen (bisher: 60 Prozent).

Die Neuregelungen gelten grundsätzlich ab dem Tag nach der Verkündung des Gesetzes.

Außerdem wird die Forschungszulage auf im begünstigten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben genutzte abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die für die Durchführung des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens erforderlich und unerlässlich sind, ausgeweitet. Diese Regelung gilt bereits für Wirtschaftsjahre nach dem 31.12.2023.

Nicht durchgesetzt hat sich die „Investitionsprämie“. Sie war als Förderung für mehr Klimaschutz gedacht.

Auch die Meldepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen konnte sich – dies jedoch zu unserem Vorteil – nicht durchsetzen.

Welche Änderungen ergeben sich für Privatpersonen?

Einige ursprünglich geplante Vorhaben, etwa eine Freigrenze für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, hat der Vermittlungsausschuss gestrichen. Dennoch bleiben für Privatpersonen einige interessante Änderungen im jetzt verabschiedeten Gesetz.

Dienstwagen

Bei einem betrieblichen Pkw muss der private Nut-zungsanteil versteuert werden. Der Vorteil eines rein elektrisch betriebenen Fahrzeugs (ohne CO2-Emission) oder eines Hybridfahrzeugs gegenüber einem Pkw mit Verbrennungsmotor kann in einer geringeren Besteuerung für die private Nutzung liegen.

Für CO2-neutraleFahrzeuge lässt sich bei Anwendung der Pauschalwertmethode die Bemessungsgrundlage für die monatliche Privatnutzung auf ein Viertel gegenüber dem Ansatz bei Verbrennermotoren reduzieren, also lediglich 0,25 Prozent des Bruttolistenpreises. Allerdings gilt eine Obergrenze für die Anschaffungskosten des begünstigten Elektrofahrzeugs.  

Diese Voraussetzung wurde nun durch die neue Gesetzgebung angepasst: Für Anschaffungen ab 1. Januar 2024 gilt, dass der Bruttolistenpreis maximal bis zu 70.000 Euro betragen darf. Bei Anschaffungen bis zum 31. Dezember 2023 liegt die Höchstgrenze nur 60.000 Euro.

Bei bestimmten Plug-in-Hybridfahrzeugen und CO2-neutralenFahrzeugen, welche die vorstehenden Grenzen der Anschaffungskosten überschreiten, bleibt die Möglichkeit zum hälftigen Ansatz des Bruttolistenpreises. Es besteht also immer noch ein Vorteil gegenüber reinen Verbrennerfahrzeugen. Bei diesen muss für die Ermittlung des monatlichen steuerpflichtigen Privatanteils ein Prozent des Bruttolistenpreises unvermindert herangezogen werden.   

Pauschalen beim Verpflegungsmehraufwand

Der Pauschbetrag für Berufskraftfahrer, die im Fahr-zeug übernachten, wird von 8 Euro auf 9 Euro angehoben.

Die ursprünglich geplante Erhöhung der inländischen Verpflegungsmehraufwendungen wurde nicht realisiert. Es bleibt bei den bisherigen Regelungen. Demnach gilt für jeden Kalendertag, an dem eine Abwesenheit von 24 Stunden von Wohnung und erster Tätigkeitsstätte besteht, ein Pauschale von 28 Euro. Bei einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden und weniger als 24 Stunden von Wohnung und erster Tätigkeitsstätte gilt eine Pauschale von 14 Euro. 

Verlustverrechnung

Werden bei der Einkünfteermittlung Verluste festgestellt, ist ein Verlustvortrag für jedes Verlustvortragsjahr bis zu einem Betrag von einer Million Euro – bei Ehegatten zwei Millionen Euro – möglich. Für Beträge darüber hinaus wird der Verlustvortrag auf 70 Prozent in den Veranlagungszeiträumen 2024 bis 2027 (vor 2024: nur 60 Prozent, sowie nach 2027: erneut nur 60 Prozent) des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvorjahres begrenzt. Damit können also Gewinne eines Jahres besser mit Verlusten aus vorherigen Jahren verrechnet werden.

Rentenbesteuerung

Der Anstieg des Besteuerungsanteils wird um einen halben Prozentpunkt jährlich reduziert. Demnach beträgt der steuerpflichtige Teil derjenigen, die im Jahr 2023 in Rente gehen, 82,5 Prozent anstatt 83 Prozent. Vor der Anpassung hätten bereits die Jahrgänge ab 2040 vollumfänglich ihre Rente besteuern müssen. Durch die Senkung der Prozentpunkte müssen erst die Jahrgänge, die ab 2058 in Rente gehen, ihre Rente zu 100 Prozent versteuern.

Durch die Neuerungen werden auch der Höchstbetrag und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag ab 2023 langsamer sinken, was zu positiven steuerlichen Effekten führt.

„Fünftelregelung“ bei der Lohnsteuer

Für bestimmte Arbeitslöhne, beispielsweise Abfindungen, die Arbeitgeber gebündelt zahlen, erfolgt eine besondere Berechnung der Einkommensteuer, um eine steuerliche Entlastung trotz größerer einmaliger Einnahmen zu bewirken. Ab 2025 ist diese Ermittlung direkt durch den Arbeitnehmer in der Einkommensteuererklärung im Rahmen des Veranlagungsverfahrens vorzunehmen.

Anhebung der Freigrenze für private Verkaufsgeschäfte

Beträgt der Gewinn aus einem privaten Verkauf innerhalb eines Veranlagungszeitraums weniger als 1.000 Euro (bisher: 600 Euro), bleibt dieser ab dem Veranlagungszeitraum 2024 steuerfrei. Hierunter fallen insbesondere auch Gewinne aus Kryptowährungen, wenn zwischen Ankauf und Verkauf weniger als ein Jahr liegt.

Welche Änderungen ergeben sich für Vermieter?

Degressive Abschreibung für neue Mietobjekte

Für Gebäude, die Wohnzwecken dienen und neu hergestellt oder angeschafft werden, lässt sich (wahlweise) die degressive Abschreibung in Höhe von fünf Prozent in Anspruch nehmen. Dies gilt auch für Gebäude die in Deutschland, einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) oder im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) liegen. Begünstigt sind Gebäude deren Herstellung nach dem 30. September 2023 und vor dem 1. Oktober 2029 beginnt.  Bei Anschaffungen muss es sich um ein innerhalb obiger Frist hergestelltes Gebäude handeln. Der Vertrag muss zwischen dem 1. Oktober 2023 und dem 30. September 2029 rechtswirksam geschlossen werden.

Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau

Bereits 2019 wurde eine Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubauten eingeführt, um bezahlbaren Wohnraum in Ballungsräumen zu fördern. Dabei wurde sowohl eine zeitliche Befristung als auch eine Einschränkung der Anschaffungs- oder Investitionskosten pro Quadratmeter Wohnfläche festgelegt. Beide Voraussetzungen wurden im Zuge des Wachstumschancengesetzes angepasst:

Bauvorhaben, für die ein Bauantrag oder eine Bauanzeige zwischen dem 1. Januar 2023 und dem 30. September 2029 (vorher: bis 1. Januar 2027) gestellt wurde   oder wird und deren Anschaffungs-/Herstellungskosten nicht mehr als 5.200 Euro pro Quadratmeter (zuvor: 4.800 Euro) betragen, fallen in den Anwendungsbereich der Sonderabschreibung.

Bauwillige können so jährlich bis zu fünf Prozent der Bemessungsgrundlage, maximal 4.000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den sich anschließenden drei Jahren zusätzlich zur herkömmlichen Abschreibung ansetzen.

Fazit

Die Erwartungen an das Gesetz und seine Ziele lagen höher als das, was tatsächlich bewirkt wurde. Viele Anpassungen und Reduktionen führten letztlich dazu, dass das ursprünglich geplante Entlastungsvolumen der einstigen Gesetzesfassung in Höhe von 7 Milliarden Euro um 3,8 Milliarden Euro geschrumpft wurde. Ob damit die gewünschten Effekte in Form von mehr Wachstum, Innovation und Investition ausreichend befördert werden, ist fraglich. Dennoch heißt es nun, das Beste aus den vorgenommenen Änderungen zu machen und sich umfassend zu informieren.